Ringlicht – oder lieber nicht?

Häufig sieht man in YouTube-Videos – insbesondere im Beauty-Bereich – sogenannte Ringlichter. Das sind Lampen oder Aufsätze für Lampen/Blitzgeräte, die einen Lichtring erzeugen, in dessen Mitte die Kamera positioniert wird.

Wozu das Ganze?
Nunja, vermutlich jeder kennt Bilder, insbesondere Fotos, bei denen das Blitzlicht einen fiesen Schlagschatten erzeugt, und die harten Schatten auf der Wand oder anderen Objekten sichtbar sind. Insbesondere beim Fotografieren mit großen Kameras und Aufsteckblitzgeräten, und speziell bei Fotos im Hochformat, wird dieser Effekt besonders deutlich.

Abhilfe soll das Ringlicht schaffen: eine Lichtquelle, die aus allen Richtungen rund um das Kameraobjektiv kommt, und so diese Schlagschatten aufhebt.

Simpel, einfach – Kamera inmitten des Ringlichts positioniert – Problem erkannt, Gefahr gebannt. Aber ist es wirklich so einfach?

Dass diese Erkenntnis nicht das Ende der Weisheit sein kann, wird in dem Moment klar, wenn man sich an professionellen Filmsets umschaut. Von Ringlichtern keine Spur – aber fangen wir von vorne an.

Was erwarten wir von einer guten Beleuchtung?
Die Beleuchtung bei einer Aufnahme soll dafür sorgen, dass die Kamera optimal arbeiten kann. Ohne Licht gibt es auch keinen Bild.
Und da nicht alle Bilder, Objekte, Situationen gleich sind, benötigen wir je nach Stimmung auch anderes Licht.
Auch Schatten tragen übrigens zur Lichtstimmung bei, und schaffen Plastizität bei dreidimensionalen Objekten. Man denke einfach an unterschiedliche Situationen im echten Leben.

Und da wir in unserem natürlichen Umfeld, insbesondere im Freien, das natürliche Licht der Sonne gewohnt sind – einer Lichtquelle, die i.d.R. von oben und aus einer Richtung kommt, sind wir es durchaus gewohnt, auch Schatten in Gesichtern und auf Objekten zu ‚ertragen‘ (siehe Beispielbild rechts).

Aller Anfang ist schwer
Allerdings – und jetzt kommt die Schwierigkeit: Gerade wenn man mit dem Filmen anfängt, ist es garnicht so einfach, eine ausgewogene und hübsche Beleuchtung hinzubekommmen. Man klickt sich durch ein paar YouTube-Tutorials, und die meisten Clips, die toll aussehen, kommen mit einer langen Technikliste einher. Komplizierte Setups mit mehreren Lampen, Hintergründen und Kamerawinkeln. Ernüchterung.
Dann stößt man auf das Ringlicht-Tutorial: Eine Lampe, Kamera/Smartphone in die Mitte – und es sieht gut aus. Perfekt.
Der geneigte Leser merkt vermutlich, dass bisher alles verhalten begeistert klingt. Doch ich will nicht alles schlecht machen.

Vorteil Ringlicht: super einfach
Der größte Vorteil liegt in der simplen und (quasi) schattenfreien Ausleuchtung eines Objekts. Dadurch, dass die Kamera inmitten des Rings positioniert wird, und die Lichtquelle größer ist als die Kameralinse, entstehen zwar Schatten, aber diese sind für die Kamera weitestgehend unsichtbar.

Für ein Make-Up Tutorial, oder das schnelle Fotografieren von Artikeln für z.B. den Onlineshop ist das perfekt. Und der potentielle Käufer eines gebrauchten Spielzeugs im Internet wird keine kinotaugliche Lichtstimmung erwarten.
Daher ist für viele Dinge der Anfang mit solch einer simplen Lampe einfach und zielführend.

Besonderheiten von Ringlichtern
Ich möchte aber noch genauer hinschauen – denn zwei Dinge bringt die ringförmige Beleuchtung automatisch mit sich. Übrigens ohne Wertung – also zunächst nur mit dem Versuch der objetiven Betrachtung eines Effekts, und Du kannst dann selbst entscheiden, ob das für Deine eigene Anwendung gut, förderlich, oder eher suboptimal ist.

1. der Ringlicht-Schatten
Bei genauem Hinsehen wird man nämlich entdecken, dass die Beleuchtung nicht schattenfrei ist. Der Schatten ist nur weicher im Übergang, und erzeugt – und das ist das besondere – eine Art Aura auf dem Hintergrund.
Ist der Hintergrund weit entfernt, fällt dies nicht besonders auf, aber beleuchte ich z.B. Objekte auf einem Tisch, oder sitze ich sehr nahe vor der Wand, wird ein weicher Schatten hinter dem Objekt/der Person erkennbar. Das ist nicht grundsätzlich tragisch, kann aber in manchen Fällen unnatürlich wirken, denn wir sind es ja aus der Natur gewohnt, dass Licht aus einer definierten Richtung kommt, und der zugehörige Schatten in die entgegengesetzte Richtung geworfen wird.


2. das kreisförmige Catch-Light
Der zweite Fakt ist, dass reflektierende Objekte die Form des Ringlichts spiegeln. Besonders deutlich wird das in den Augen von Menschen – denn hier reflektiert das Licht kreisrund um die Pupille, was eine ungewöhnliche, teilweise fast surrealistische Anmutung mit sich bringen kann.

flexible Anwendung
Dies hier wäre aber nicht der MediaGyver-Blog, wenn ich nur auf potentielle Schwierigkeiten hinweisen würde, und nicht noch einen praktischen Tipp weitergeben würde. Ich selbst besitze eine LED Ringleuchte*, und verwende sie sogar recht häufig. Allerdings meistens einfach als ‚ganz normale‘ LED-Flächenleuchte – und zwar in Kombination mit einem Falt-Diffusor*, dessen Durchlicht-Funktion ich nutze, um das Ringlicht noch weicher und noch schattenfreier zu gestalten. Dadurch verschwindet übrigens auch der Kreis im Auge – denn jetzt spiegelt sich ja der Reflektor, und der hat kein Loch in der Mitte.

Damit habe ich das Beste aus zwei Welten:
Für Fotos von Objekten kommt die Kamera ganz normal in die Mitte des Rings, ich habe ein schattenfreies Licht, und kann sehr schnell und simpel tolle Objektfotos machen. Für ein Portrait mit dem gewissen ‚Etwas‘, wo der Betrachter beim näheren Hinsehen das ringförmige Catch-Light im Auge entdeckt, habe ich auch das passende Werkzeug zur Hand.
Und in allen anderen Fällen, wo die eher surrealistische Anmutung des Ringlichts bei einem Portrait nicht gewünscht ist, stelle ich einfach die runde Diffusion vor die Lampe – und habe eine tolle, große, kreisrunde Flächenleuchte, die den selben Bildeindruck wie jede beliebige ’normale‘ LED-Flächenleuchte mit vorgeschalteter Softbox erzeugt.

Übrigens: falls Du jetzt trotzdem noch immer grübelst, ob so ein Lichtring das korrekte Werkzeug ist, oder generell noch ein paar Dinge zum Thema Licht wissen willst – ich habe letztlich eine allgemeine Einführung zum Thema verfasst –> klick <–.